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Das Werkvertragsrecht mit neuen Architektenleistungen

Aktualisiert: 5. Jan. 2018

Der Architekt ist der Testpilot und geht am 01.01.2018 auf die Teststrecke.

Von Horst W. Keller




Umfangreiche Neuerungen im Werkvertragsrecht verändern den Projekteinstieg für Architekt und Bauherr erheblich. Durch fehlende Vorgaben für die rechtlich korrekte Anwendung entsteht allerdings für den Architekt, wie so oft bei der Einführung neuer oder novellierter Gesetzte, eine derzeit rechtlich nicht bewertbare Grauzone.

Am 01.01.2018 tritt das viel diskutierte und dringend erwartete novellierte Werkvertragsrecht mit allen in der Branche herbeigesehnten Verbesserungen für den Architekten wie z.B. in der gesamtschuldnerischen Haftung in Kraft. Obwohl die Novellierung durch den Gesetzgeber keinesfalls für den Architekten sondern laut Entscheidung des EuGH für den Verbraucher erfolgt und inhaltlich unter aktiver Beteiligung von 3 Verbraucherschutzverbänden umgesetzt wurde, kommen dem Berufstand erhebliche Verbesserungen zugute. Zum einen bleibt also festzustellen, dass die Novellierung des Werkvertragsrecht aus Sicht des Architekten eine wahrhaft gute Nachricht ist. Zum anderen sollte ebenso beruhigen, das sich in der Regel selbst gravierendste Gesetzesänderungen über einen meist mehrjährigen Zeitraum normalisieren und neue Arbeitsabläufe im Alltag fast wie automatisch einschleifen. Also einfach abwarten was passiert? Besser nicht … eben genau dieser Zeitraum von der Einführung bis zur Festigung und Normalisierung der neuen Regelungen, birgt für den Architekten ein erhebliches Potential an Unstimmigkeiten und erhöht so indirekt das Haftungsrisiko.       

Nachdem also das ursprünglich Branchenübergreifend verfasste Werkvertragsrecht, nach nunmehr über 100 Jahren Bestand, ab dem Inkrafttreten einen Architekten- und Ingenieurvertrag kennt, veröffentlichen Kammern und Berufsverbände diesen Akt als Abschluss einer umfangreichen Entwicklung. Juristen beginnen zu kommentieren und werden in Vorträgen und Seminaren nicht müde, der Berufsgruppe der Architekten alle rechtlichen Fallstricke die sich in den Änderungen verbergen lebhaft zu erläutern. Also eigentlich läuft doch alles ganz gut? Weit gefehlt! Für den Architekten beginnt mit Inkrafttreten das umfangreiche Umdenken und Neustrukturieren im Bereich der Neuregelungen für z.B. das Anordnungsrecht des Auftraggebers, Architekten- und Bauverträge, Abschlagszahlungen, Abnahme, Kündigung, Vergütungsansprüche und … und … und. Bei aller Aufmerksamkeit, die dadurch derzeit die rechtlichen Auswirkungen binden, bleiben in ersten Kommentaren, Seminaren und Schulungsveranstaltungen zum Werkvertragsrecht die Auswirkungen auf den eigentlichen Projektablauf weitgehend unbeachtet. Dabei spricht der neue § 650p in Absatz 2 von einer, für den Architekten gänzlich neuen Leistung, die vor den uns aus der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) bekannten Leistungsphasen 1-9 zum Tragen kommt. Auf dem Papier erscheint auch das im ersten Augenblick ganz logisch. Die Grundlage für einen Vertrag und die daraus resultierenden Leistung soll besser und somit auch verbindlicher werden … aber wie?

Um die Problemstellungen im frühen Projektablauf nach Novellierung zu verdeutlichen bietet sich an, diese Phase der Beauftragung gedanklich zu simulieren. Setzten wir also voraus, dass wir über einen bauwilligen Kundenkontakt verfügen. Das geänderte Werkvertragsrecht sieht jetzt vor, dass, entgegen der Erfahrungen der vergangenen Jahre, dieser Kunde noch vor dem Eintritt in die Leistungsphase 1 eine umfassende Beauftragung des Architekten vornimmt. Natürlich klingt die Aussicht auf einen so positiven Ausgang künftiger Auftragsgespräche vielversprechend, allerdings bleibt die Frage offen, warum der Kunde plötzlich leichter von diesem Schritt zu überzeugen sein sollte als gewohnt. Aber O.K.! Teilen wir diese Auffassung und glauben, dass die Komplett-Beauftragung des Architekten in diesem Projektstadium gelingt und der Architektenvertrag nach neuem Recht geschlossen wird.     

Nach dem Abschluss des Architektenvertrages baut der Gesetzgeber bewusst eine Beurteilungsschwelle ein. Der Architekt erhält dabei die Aufgabe zu bewerten, inwieweit zu diesem Zeitpunkt, „… wesentliche Planungs- und Überwachungsziele nicht vereinbart sind“. Die Grundlage, nachdem der Architekt diese, wenn möglich auch im Streitfall tragfähige Beurteilung zu treffen hat, benennt der Gesetzgeber dagegen nicht. Erfolgt jetzt, nach subjektiver Meinung des Architekten die Einschätzung, dass die Planungs- und Überwachungsziele tatsächlich nicht auskömmlich vereinbart sind, hat er laut Gesetzgeber „… zunächst eine Planungsgrundlage zur Ermittlung dieser Ziele zu erstellen“. Wie aber sieht das in der Umsetzung aus? Welche Leistung hat der Architekt in dieser s. g. Zielfindungsphase zu erbringen? Was ist das Leistungssoll? Auch diese Vorgaben bleiben durch den Gesetzgeber undefiniert. Gehen wir also mal davon aus, dass sich der Architekt zielsicher in dieser für ihn neuen Phase bewegt und zu einem gesicherten Ergebnis kommt. Legt der Architekt dem Bauherrn die durch ihn, als auskömmliche Planungsgrundlage definierte Ermittlung der Ziele einschließlich der Kosteneinschätzung vor, tickt für den Bauherrn eine Frist. Er kann nunmehr innerhalb von 2 Wochen nach Übergabe der Planungsgrundlage, ein im § 650r neu eingeräumtes Sonderkündigungsrecht nutzen und den Vertrag kündigen. Übrigens trifft hier den Architekten gegenüber dem Verbraucher wiederum eine besondere Hinweispflicht. Versäumt er den Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht, erlischt die Möglichkeit der Sonderkündigung nicht wie vorgesehen nach 2 Wochen.     

Auch stellt sich die Frage, inwieweit die zu erstellende Planungsgrundlage Teile der ersten Leistungsphasen der HOAI streifen. In einem abendlichen Vortrag eines großen Versicherers zum Thema des Werkvertragsrecht, wurde hierzu durch einen vortragenden Rechtsanwalt, ein nicht sehr vielversprechendes Beispiel geliefert. Angesprochen, auf realistische Möglichkeiten für den Bauherrn, seiner Entscheidung für die Umsetzung des Projektes nach der s. g. Zielfindungsphase zu widerrufen, erläuterte er „ … natürlich würde ein Bauherr, der im Zuge des Entwurfs (LPH 3) die Information erhält, dass der Bebauungsplan kein Flachdach zulässt, mit der Begründung, hätte er das gewusst, hätte er sich nicht für dieses Projekt entschieden, seine Entscheidung zurücknehmen dürfen". Unmittelbar erhielt er aus dem Auditorium den Einwand, dass die inhaltliche Prüfung eines Bebauungsplanes sowie die rechtliche Prüfung der Bebaubarkeit eines Grundstückes, Leistungen der Leistungsphasen 2 und 3 darstellt. Da der Gesetzgeber, wie vom vortragenden Rechtsanwalt erläutert an dieser Stelle eigentlich davon ausgeht, dass es sich in der Zielfindungsphase um Leistungen handeln solle, die vor den eigentlichen Leistungen der HOAI lägen, verblieb ein spürbarer Widerspruch unbeantwortet im Raum.

Ist doch gerade der Berufsstand der Architekten dadurch geprägt, das es Bauherrn durch deutsche Gerichte in der Regel leicht gemacht wird, durch das Infragestellen von Handlungen oder Vorgängen als Verbraucher schnell den entsprechenden Schutz zu erhalten. Das führt beim Architekt nicht selten zu weitreichenden Folgen, Honorarausfällen und Haftungssituationen. Hinterlegen wir also die in der Vergangenheit übliche Praxis deutscher Gerichte stellt sich schnell die Frage, in welchem Umfang die durch den Gesetzgeber beschriebene Planungsgrundlage ermittelt werden kann bzw. muss und wie eine nachhaltig tragfähige Entscheidung des Bauherrn erwirkt werden kann, ohne dabei Gefahr zu laufen, dass Gerichte diese Phase per Urteil nachträglich als Fehlerhaft bewerten.

 Solange also Juristen davon sprechen, dass sich die Umsetzung und der inhaltliche Umfang der s. g. Zielfindungsphase durch erste Urteile strittiger Abläufe und Inhalte im Laufe der kommenden 10 Jahren über richterliche Entscheidungen regeln, ist größte Vorsicht geboten. Bereits prophylaktisch sollte hier ein professionelles und geschultes Vorgehen einem improvisierten und inhaltlich nicht tragfähigem Handeln Vorrang eingeräumt werden.  

Setzt man sich also mit dem möglichen Umfang der Planungsgrundlage auseinander, zielt der Gesetzgeber nach ersten Eindruck, wie im Gesetzestext beschrieben, auf die „… Ermittlung von Zielen …“, also im Umkehrschluss auch auf die Auseinandersetzung mit den Bedarfen des Bauherrn ab. Laut Besonderer Leistung der Leistungsphase 1 nach HOAI § 34, Anlage 10 enthält die aktuelle HOAI hier tatsächlich eine Möglichkeit der Honorierung für die Ermittlung der dem Projekt zugrunde liegenden Bedarfe. Je nach Umfang der Bauaufgabe rückt auch die Anwendung der Nutzerbedarfsplanung laut DIN 18205 in die Reichweite der zu betrachtenden Instrumente. Sicherlich ist hier die Frage zu stellen, inwieweit Architekten über die Existenz dieser Möglichkeiten überhaupt oder ausreichend informiert und auf die gesicherte Anwendung dieser Methoden geschult und vorbereitet sind. Eignet sich doch die kürzlich erschienene Neufassung der DIN 18205 mit Ihren Anlagen hervorragend zur Strukturierung solcher Projektvorphasen, wie auch immer man sie letztlich nennt. Alleine durch die gezielte Nutzung neuer, darin geregelter Begrifflichkeiten wie Bedarf, Bedarfsdeckung, Bedarfsplanung, Bedarfsträger und Funktionsprogramm bieten sich klare Möglichkeiten der Abgrenzung zu den bekannten Begriffen der frühen Leistungsphasen der HOAI wie Vorentwurf und Entwurf. Es bleibt zu beobachten, wie die Kollegen die Herausforderungen dieser Gesetzesnovelle meistern und inwieweit sie innovativ und kreativ neue und vorhandene inhaltliche Möglichkeiten der Gestaltung dieser, für die Stabilisierung des Projektablaufes so wichtigen Zielfindungsphase nutzen.

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