top of page

Komplexität verringern … oder Projekte einfacher abwickeln

Aktualisiert: 4. Okt. 2019

Architekten berichten bundesweit von einer zunehmend steigenden Komplexität in Projekten. Aber was genau bedeutet Komplexität und wo wird sie in Projekten sichtbar?

Von Horst W. Keller




Neben der stetig wachsenden Anzahl an Projektbeteiligten, durch z.B. eine zunehmende fachliche Spezialisierung, führt der ständig steigende funktionale und technische Anspruch an Gebäude zu erhöhter Komplexität. Im Zeitalter von BIM und Smart-Buildings besteht dazu der Eindruck, die bereits heute erkennbare Komplexität nochmals spürbar steigern zu müssen. Eine Vielzahl an nicht aufgelösten Vorgängen, aus meist unverbindlich getroffenen Festlegungen und ungeklärten Abläufen, führen zudem zu einer stetig wachsenden Anzahl an Störungen im Projekt. Da die Ursachen hierfür oft sehr vielfältig und weitgreifend sind, lässt sich die daraus resultierende Komplexität nur unwesentlich oder nicht reduzieren oder gar vermeiden.

Aber wo und wie kann eine spürbare Minderung der Komplexität erfolgen?

Überraschenderweise muss die überwältigende Masse an Informationen, die in ein Projekt einfließen und darin verarbeitet werden, als die eigentliche Ursache für die wahrgenommene Komplexität im Projekt erkannt werden. Zudem verfügen Informationen, als grundlegendes Element auch für eine funktionierende Kommunikation und letztlich auch der Koordination, eine zusätzliche Bedeutung im Projektablauf.

Aber wo steckt das Problem? Der richtige Umgang mit Informationen sollte doch für Architekten ein leichtes sein, oder? Weit gefehlt! In den wenigsten Fällen, wird der fehlerhafte Umgang mit der Information überhaupt als Ursache für mögliche Störungen im Planungs- oder Bauprozess oder der bestehenden Komplexität erkannt. Vielmehr werden die Koordination bzw. Konzeptionelle, entwerferische, planerische oder fachliche Gründe als Ursache für Störungen im Projektablauf vermutet. Hierbei bleibt meist unentdeckt, dass hinter dem offensichtlichen Problem eine fehlende, falsche oder fehlgelenkte Information die tatsächliche Ursache darstellt.

Doch selbst, wenn der mangelhafte Umgang mit Informationen und die daraus entstehenden Störungen als Ursache für Komplexität erkannt werden, fehlen nicht selten die erforderlichen Kenntnisse, um solchen Managementherausforderungen im Projekt durch geeignete Standards gezielt und steuernd zu begegnen.

Auch in der schulischen Ausbildung des Architekten bewirkt die Schwerpunktsetzung auf rein handwerkliche Fähigkeiten wie z.B. den Entwurf, die Planung und Gebäudetechnik, dass das Management als ein Teil der täglichen Leistung des Architekten als solche nicht erkannt wird. Gerade hier verbirgt sich das größte Potential in der Reduzierung der Komplexität von Projekten. Unzählige und für den Projektablauf grundlegende Managementaufgaben wie z.B. die Entscheidungslenkung, die professionelle Vermeidung von Störungen sowie der gezielte Umgang mit Informationen und den Projektbeteiligten finden in der schulischen Ausbildung keine angemessene Berücksichtigung.

Die demzufolge einzige und inhaltlich oft nicht qualifizierte Reaktion der Architekten auf den Umgang mit Informationen ist und bleibt das meist hilflose und unkontrollierte Befüllen von unzähligen Projektprotokollen. Die Notwendigkeit der Absicherung und das Gefühl, den Bauherrn und sonstige Projektbeteiligte „im Griff“ zu behalten, führen Architekten bereits seit Jahrzenten zu der Erkenntnis, alle Projektinformationen grundsätzlich schriftlich dokumentieren zu müssen.

Das große Suchen

Nachdem erste Protokolle im 16. Jahrhundert in Deutschland nachgewiesen wurden, begannen Architekten zögerlich damit, Informationen aus z.B. Besprechungen, wenn auch unkontrolliert und unstrukturiert, in unterschiedlichste Protokolle zu dokumentieren. Bereits die Dokumentation mittlerer Projekte (Baukosten bis 2.0 Mio. Euro) führten schnell zu einer Anzahl von 70 und mehr Protokollen … Tendenz steigend. Zusammenhängende Informationen werden darin bis heute meist ohne Rücksicht auf die spätere Verwendung und oft verteilt auf mehrere Protokolle erfasst.

Wer kennt nicht die leidige Suche nach Informationen in alten Protokollen, um besprochene Anforderungen an z.B. den Bodenbelag im Gäste-WC zu recherchieren. Da sich diese Informationen meist in unterschiedlichen Protokollen wiederfinden, sprechen wir hier von einer dezentralen Dokumentation. Jeder Verarbeiter einer Information in z.B. der Planung, Ausschreibung und Bauleitung aber auch bei Personalwechsel im Projektteam, ist zu einer aufwendigen Recherche gezwungen. Will er Informationen der Aufgabendefinition des Bauherrn in seinem Leistungsteil berücksichtigen steht er, durch die dezentrale Verwaltung von Informationen, immer wieder vor einem enormen Aufwand und in Teilen vor einer unlösbaren Aufgabe. Aber findet er überhaupt die richtige Information? Wie verbindlich ist die Information und ist sie tatsächlich auch die aktuellste? Welchen Zeitaufwand muss er betreiben und wie oft wiederholt sich die Suche auch durch andere Kollegen im Projekt?  

Machen wir uns zudem deutlich, dass die Information, als die wesentliche Grundlage im Projekt, offensichtlich eher durch Zufall und große Ausdauer an die richtige Stelle im Projekt gelangt, ist das eher ernüchternd. Hinterlegen wir ergänzend die Verantwortung, die wir als Architekt im Projekt und für den Ablauf tragen, erscheint der übliche Umgang mit der Information beinahe als fahrlässig. Wie kann es sein, dass Architekten auf ein, für den Projekterfolg so wesentliches Thema, so wenig Energie verwenden? Warum finden keine Standards Anwendung, die eine fehlerfreie Zusammenstellung der Aufgabendefinition, also der Entscheidungen des Bauherrn sicherstellt?

Werden Schwierigkeiten bei der Suche und Verwaltung von dokumentierten Informationen deutlich, unternehmen meist ratlose oder auch verzweifelte Architekten den Versuch, diese durch regelrechte „Listen-Monster“ in Form von komplexesten Excel-Dateien zu beheben. Die direkte Reaktion auf nicht funktionierende Dinge ist wiedermal die unmittelbare Erhöhung der Komplexität, ohne dabei das eigentliche Problem zu lösen. Hierbei bleibt zudem meist unentdeckt, dass sich diese Dokumente, wenn überhaupt, für eine bessere Handhabung durch den Ersteller eignen, aber keinesfalls eine Verbesserung in der Kommunikation, dem Ablauf oder in der Anwendung bieten. Der Bauherr erkennt den komplexen Aufbau der Dateien nicht und verspürt keine so notwendige Erleichterung im Umgang mit der Information oder in der aktiven Arbeit im Projekt.

Trotz aller Fehleinschätzungen im Umgang mit der Information und dem Einsatz fehlerhafter und veralteter Standards, hat doch zumindest der größte Teil der Kollegen den ersten Schritt in die richtige Richtung gemacht! Informationen werden in der Regel grundsätzlich dokumentiert!

Auf dem Weg zur Lösung

Ist nun der zweite Schritt getan und der Architekt hat das Bewusstsein für die wesentliche Rolle der Information im Projekt entwickelt, kann er die Suche nach geeigneten Lösungen starten.

Auf dem Weg zur Lösung der Problemstellung müssen wir hinterfragen, inwieweit eine doch eher „angestaubte“ Methode, die ursächlich zur Absicherung und Dokumentation entwickelt wurde, in heutigen Projekten die zusätzliche Aufgabe der Kommunikation, Koordination und Verbesserung der Abläufe nachhaltig erfüllen kann? Auch die Effizienz im Einsatz von Protokollen im Projekt und die praktikable Nutzung in der Arbeit in den Leistungsphasen muss infrage gestellt werden.

Schnell kommt man zu der Erkenntnis, dass eben genau darin das Problem zu finden ist. Verstärken neue Kollegen das Team oder wechselt das Projekt in einen neuen Zuständigkeits- oder Leistungsbereich, ist über Protokolle eine saubere Abbildung der Schnittstelle nicht oder nur lückenhaft und unverbindlich möglich.

Informationen finden sich ohne Struktur und Zusammenhang in unzähligen Protokollen und lassen, gerade in den wesentlichen Themenbereichen, keinen wirklichen Status erkennen. Bei der „Fahndung“ nach Informationen durchsuchen neue interne aber auch externe Projektbeteiligte bis 70 und mehr Protokolle mit dem Ergebnis, nur über Geduld und etwas Glück überhaupt an die wesentlichen und vor allem aktuellen Informationen zu gelangen. Fragwürdig wird diese Arbeitsweise im Umgang mit ungeübten Projektbeteiligten. Gerade der meist unerfahrene Bauherr, als der im Projekt und der Aufgabendefinition so wesentliche Projektbeteiligte, muss seine Rolle auf der gleichen, unzureichenden Grundlage erfüllen. Wie soll das funktionieren? Sollte nicht gerade der Bauherr eine optimale Grundlage im Projekt erhalten, um seine Rolle so gut wie möglich erfüllen zu können?  

Die gute Nachricht … mit der neuen Methode werden Abläufe nicht komplexer, sondern durch das themenweise Verteilen von Informationen auf separate Dokumente und eine tabellarische Erfassung, reduzieren sich Teile der Komplexität spürbar.

Erforderlich zur Lösung ist zudem die Erkenntnis, dass im Projekt drei wesentliche Arten an Informationen existieren. Das bestehende Know-how, die sich entwickelnden Projektvorgaben der Aufgabendefinition (Entscheidungen) und die täglich im Projekt entstehenden Todos und Aufgaben.

Bereits hier sollten Architekten damit beginnen, diese Arten an Informationen gezielt zu trennen und separat in entsprechenden Check-Listen zu führen, diese über eine Masterstruktur im Projektablauf bereitzustellen und zur Qualitätssicherung kontinuierlich fortzuschreiben.

Die größte Herausforderung steckt dabei in der Dokumentation der Aufgabendefinition, also den Entscheidungen des Bauherrn. Für diesen Bereich bietet sich an, den Prozess der Bemusterung, also der Festlegungen von z.B. Farben und Material und den Prozess des Entwurfs, also den Festlegungen von Anforderungen und Funktionen des Gebäudes, jeweils separat zu erfassen und zu verarbeiten. Hierbei unterstützt eine einfache und mittlerweile erprobte Methode die korrekte Verarbeitung von Entscheidungen. Projektbezogene Entscheidungen und Festlegungen werden chronologisch und ebenfalls themenbezogen in separaten Dokumenten, im Idealfall tabellarisch erfasst und wieder bereitgestellt.

Die Lösung ist eben manchmal doch ganz einfach! Die problemlösende Antwort auf die Komplexität heutiger Projekte steckt also in der Anwendung einer zentralen Dokumentation von Informationen. Darunter versteht sich die Dokumentation in separaten Dokumenten, die projektbegleitend befüllt werden und alle Informationen zu z.B. der Bemusterung, dem Entwurf und sonstigen Entscheidungen im Projekt zentral und themenbezogen dokumentieren. Den Projektbeteiligten stehen diese Informationen übersichtlich, leicht zugänglich und ohne aufwändiges Suchen, an zentraler Stelle bereit.

Die Zeit ist reif für neue Methoden bzw. Standards!

Der Architekt steht in der Abwicklung von Projekten vor einem längst überfälligen Paradigmenwechsel. Management wird zum alles bewegenden Thema und Informationen müssen gezielt und mit größerer Verbindlichkeit verarbeitet und zudem Methoden und Abläufe weniger komplex gestaltet werden.

„Wahnsinn ist, immer das gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten“ Albert Einstein.

Wir müssen Dinge ändern und z.B. Information als zentrales Element in einem Projekt erkennen, gezielt steuern, professionell verwalten und zur effektiven Bearbeitung wieder bereitstellen. Wir müssen dabei gewohnte Wege und Methoden des Umgangs hinterfragen und Standards an die heutige Komplexität und Schnelligkeit im Projektablauf anpassen.

Nur durch zeitgemäße Standards gelingt die tatsächliche Verringerung der Komplexität in Projekten.


Kontakt / Weitere Informationen: Horst W. Keller DERPLUSARCHITEKT.

01. Oktober 2019


292 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page